Babys innere Werte - Bäuerchen
Sie müssten dringend mal den Knigge lesen. Das „Anstandsfibel“ oder „Benimmlexikon“ genannte Hauptwerk von Adolph Freiherr Knigge über gute Umgangsformen aus dem 18. Jahrhundert. Aber erstes können Babys noch nicht lesen und zweitens haben sie Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel, sich schlecht zu benehmen. Rülpsen, spucken, Bäuerchen machen.
Wenn ein Spucktuch zur Hand ist, kommt Mamas Pulli gerade noch mal mit dem Schrecken davon. Die Trefferquote ist allerdings gering und das, was Babys so ausspucken riecht oft so, dass man es nicht so gerne den ganzen Tag am Kragen haben möchte.
Doch warum stoßen Babys eigentlich so oft und unkontrolliert auf?
Klar, dass müssen die Erwachsenen auch, doch die meisten schaffen es halbwegs tonlos und ohne, dass Teile des Mageninhaltes wieder zum Vorschein kommen. Babys sind dagegen diesbezüglich völlig hemmungslos und die Erwachsenen ermuntern sie ja auch geradezu. Nach dem Essen tragen sie die Kleinen herum, schaukeln sie, wippen, klopfen beständig auf den Rücken, bis schlussendlich das Bäuerchen kommt.
Das kommt daher, weil Babys beim Trinken Luft schlucken. Vor allem, wenn sie hungrig sind und gierig saugen, mit dem Kopf leicht nach unten liegen oder aus der Flasche trinken, schlucken sie besonders viel davon. Die ganze Luft landet dabei naturgemäß im Magen.
Das ist nicht schlimm und ganz natürlich.
Die Rülpsautomatik
Dort sammelt sich die geschluckte Luft und steigt als Luftblase an den höchsten Punkt im Babymagen. Wenn der Magen dann merkt, dass er zu voll ist mit Luft, startet er die babyeigene Rülpsautomatik. Für einen kurzen Moment öffnet sich die untere Klappe der Babyspeiseröhre und die Luft zischt ab. Die Speiseröhre massiert die Luft dann nach oben Richtung Ausgang, öffnet sich dort kurz vorher genau im richtigen Augenblick und das Bäuerchen ist perfekt.
Vor allem bei flüssiger Nahrung kann die Automatik nicht so trennscharf zwischen Luft und anderem Mageninhalt unterscheiden. Das Ergebnis landet dann idealerweise in einem Spucktuch aus Bio-Baumwolle. Die sind besonders saugfähig, lassen sich heiß waschen und sind strapazierbar.
Warum klingt aber ein Babyrülpser so, wie er klingt? Das Geräusch entsteht, weil die Luft mit Druck durch die Speiseröhre gepresst wird und man bekommt es so häufig zu hören, weil Babys logischerweise einen sehr kleinen Magen haben und trotzdem viel Luft runterschlucken. Es ist also schon OK, dass sie automatisch diese Luft wieder loswerden wollen. Denn wenn die Luft drinnen bleibt und tiefer in den Darm wandert, kann sie dort heftige Schmerzen, sogenannte Koliken, verursachen, die dann Tag und Nacht lautstark mitgeteilt werden.
Verdauungshilfe oder Ammenmärchen?
Es ist also besser, wenn Babys die Luft nach oben loswerden. Muss man ihnen aber dabei helfen oder passiert das eh von ganz allein? Wandert nicht auch mit Rülpsern nach dem Essen trotzdem immer wieder Luft nach unten ins Babyinnere und verursacht dort das gemeine Bauchweh? Die Wissenschaft ist sich da nicht einig.
Eine indische Studie hat herausgefunden, dass Babys, die nach dem Essen ihr Bäuerchen machten genauso oft weinten, wie welche die nicht aufstießen. Die Aussagekraft dieser Beobachtungen ist aber gering, weil das Weinen ja bei einigen auch eine ganz andere Ursache gehabt haben könnte.
Sicher ist aber: Seit Jahrtausenden tragen Eltern ihre Säuglinge nach dem Essen umher und versuchen ihnen das Aufstoßen zu erleichtern. Entspannter ist das Baby auf jeden Fall und die Eltern sind es allein deswegen schon, weil sie das Gefühl haben, ihrem Kind etwas Gutes zu tun. Babys auf den Arm zu nehmen, mit ihnen sanft wiegend langsam herumzugehen und dabei vorsichtig auf den Rücken zu klopfen schadet aus medizinischer Sicht jedenfalls nicht. Selbst wenn sich dadurch kein Baby-Rülpser hervorrufen lässt, ist es eine probate Methode, um ein wohlverdientes Verdauungsschläfchen einzuleiten.
Spucktücher sind übrigens vielseitig einsetzbar, denn sie sind aus kuschelig weichem Musselin, dass wenn es nun ausnahmsweise von der Baby-Spucke unbehelligt geblieben ist, kurzerhand zur wärmenden Kuscheldecke für das Mittagsschläfchen werden kann.
So bekommen dann auch Mama und Papa die Gelegenheit zum Essen und auch sie werden sich irgendwann danach bewusst werden, dass auch sie die Rülpsautomatik haben.
Hoffentlich etwas kontrollierter als beim schlafenden Nachwuchs.